Der Zimmergesell
Es war einmal ein Zimmergesell,
War gar ein jung frisch Blut,
Er baut dem jungen Markgraf ein Haus,
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Er baut dem jungen Markgraf ein Haus,
Sechs hundert Laden hinaus.
Und als das Haus gebauet war,
Legt er sich nieder und schlief,
Da kamm des jungen Markgrafen Weib,
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Da kamm des jungen Markgrafen Weib,
Zum zweiten und dritten und rief.
“Steh auf, steh auf, du Zimmergesell,
Denn es ist an der Stund,
Hast du so wohl gebauet das Haus,
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Hast du so wohl gebauet das Haus,
So küß mir meinen Mund!”
Ach nein, ach nein, Markgräfin fein,
Das wär uns Beiden ein Schand,
Und wenns der Markgraf wohl erführ,
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Und wenns der Markgraf wohl erführ,
Müßt’ ich ja meiden das Land.
Und da sie beide zusammen war’n,
Vermeinten, sie waren allein,
Das schlich eine falsche Magd daher,
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Das schlich eine falsche Magd daher,
Zum Schlüsselloch schaut sie ein.
“Ach edler Herr, ach edler Herr,
Groß Wunder dieser Stund,
Da küßt der junge Zimmergesell
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Da küßt der junge Zimmergesell
Der Gräfin ihren Mund!”
“Und hat er geküßt meine schöne Frau,
Des Todes muß er sein,
Ein’n Galgen soll er sich selber baun
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Ein’n Galgen soll er sich selber baun
Zu Schaffhausen, draus am Rhein.”
Und als der Galgen gebauet war,
Sechshundert Laden hinaus,
Vor lauter Silber und Edelstein,
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Vor lauter Silber und Edelstein,
Steckt er darauf einen Strauß.
Und als die Markgräfin das vernahm,
Gen Schaffhausen ritt sie schnell:
Da stieg die Leiter eben hinan
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Da stieg die Leiter eben hinan
Der jung frisch Zimmergesell.
“Ihr Herrn und käm die Markgräfin
Vor eurer Bettchen zu stahn,
Würdet ihr sie halsen und küssen,
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Würdet ihr sie halsen und küssen,
Oder würdet sie lassen gehn?”
Sie sprachen: “Und käm die Markgräfin
Vor unser Bettchen gegahn,
Wir wollten sie halsen und küssen
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Wir wollten sie halsen und küssen
Und wollten sie freundlich umfahn.
Woltet ihr sie halsen und küssen
Und wolltet sie freundlich umfahn,
So hat auch der jung frisch Zimmergesell
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
So hat auch der jung frisch Zimmergesell
So Arges nicht getan!”
Da sprach der Markgraf selber wohl:
“Wir wollen ihn leben lahn,
Ist Keiner doch unter uns allen hier,
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Ist Keiner doch unter uns allen hier,
Der dies nicht hätte getan?”
Was zog es aus der Tasche heraus,
Wohl hundert Goldkronnen rot:
Geh mir nur aus dem Land hinaus,
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Geh mir nur aus dem Land hinaus,
Findst überall dein Brod.
Und als er hinaus gezogen war,
da ging er üb’r die Heid,
Da steht die junge Markgräfin,
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Da steht die junge Markgräfin,
In ihrem schneeweißen Kleid,
Was zog sie aus ihrer Tasche schnell?
Viel hundert Stücke Gold,
“Nimm’s hin, du schöner Junggesell”
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Nimm’s hin, du schöner Junggesell”
Nimm’s hin zu deinem Sold!”
“Und wenn dir Wein zu sauer ist,
So trink Malvasier,
Und wenn mein Mündlein dir süßer est,
Zweifle nicht, mein Schatz, mein Kind,
Und wenn mein Mündlein dir süßer est,
So komm nur wieder zu mir!”
(Lied per a cor mixt a quatre veus, WoO 35/11, Hamburg, primavera 1858)
(Lied per a cor femení a tres veus –sopranos I i II i contralts–, a capella, WoO 38/11, Hamburg, 1859-62)
(Amb el títol “Es war einmal ein Zimmergesell” compongué Brahms un altre Lied,
WoO 33/46, amb el mateix poema)