Verrat
Ich stand in einer lauen Nacht
An einer grünen Linde,
Der Mond schien hell,
Der Wind ging sacht,
Der Gießbach floß geschwinde.
Die Linde stand vor Liebchens Haus,
Die Türe hört’ ich knarren.
Mein Schatz ließ sacht
Ein Mannsbild ‘raus:
“Laß morgen mich nicht harren;
Laß mich nicht harren, süßer Mann,
Wie hab ich dich so gerne!
Ans Fenster klopfe leise an,
Mein Schatz ist in der Ferne!”
Laß ab von Druck und Kuß, Feinslieb,
Du Schöner im Sammetkleide,
Nun spute dich, du feiner Dieb,
Ein Mann harrt auf der Heide.
Der Mond scheint hell,
Der Rasen grün
Ist gut zu unserm Begegnen,
Du trägst ein Schwert
Und nickst so kühn,
Dein Liebschaft will ich segnen!
Und als erschien der lichte Tag,
Was fand er auf der Heide?
Ein Toter in den Blumen lag
Zu einer Falschen Leide.
(Lied per a veu baixa i piano, Op. 105/5, Thun, agost 1886)