03. Szene am Dom
Amt, Orgel und Gesang.
Gretchen unter vielem Volke.
Böser Geist hinter Gretchen.
Böser Geist:
Wie anders, Gretchen, war dir’s,
Als du noch voll Unschuld
Hier zum Altar trat’st,
Aus dem vergriffenen Büchelchen
Gebete lalltest,
Halb Kinderspiele,
Halb Gott im Herzen!
Gretchen!
Wo steht dein Kopf?
In deinem Herzen,
Welche Missethat?
Bet’st du für deiner Mutter Seele, die
Durch dich zur langen, langen Pein hinüberschlief?
Auf deiner Schwelle wessen Blut?
– Und unter deinem Herzen
Regt sich’s nicht quillend schon,
Und ängster dich und sich
Mit ahnungsvoller Gegenwart?
Gretchen:
Weh! Weh!
Wär’ ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!
Chor:
Dies irae, dies illa,
Solvet saeclum in favilla.
Orgelton.
Böser Geist:
Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!
Gretchen:
Wär’ ich hier weg!
Mir ist als ob die Orgel mir
Den Athem versetzte,
Gesang mein Herz
Im Tiefsten lös’te.
Chor:
Judex ergo cum sedebit,
Quidquid latet adparebit,
Nil inultum remanebit.
Gretchen:
Mir ward so eng!
Die Mauern-Pfeiler
Befangen mich!
Das Gewölbe
Drängt mich! – Luft!
Böser Geist:
Verbirg dich! Sünd’ und Schande
Bleibt nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!
Chor:
Quid sum miser tunc dicturus?
Quem patronum rogaturus?
Cum vix justus sit securus.
Böser Geist:
Ihr Antlitz wenden
Verklärte von dir ab.
Die Hände dir zu reichen,
Schauert’s den Reinen.
Weh!
Chor:
Quid sum miser tunc dicturus?
Gretchen:
Nachbarin! – Euer Fläschen!
(Sie fällt in Ohnmacht)