02. Zwei Reiter reiten vom Königschloß
Alt:
Zwei Reiter reiten vom Königschloß,
Sie reiten hinab zum Strande,
In hohen Lüften pfeift der Wind,
Die Wellen schäumen zu Lande.
Sie sind hinauf am Ufersteg
In schweigen dumpf geritten;
Blutrunnen aus uralten Zeit
Steh’n droben eingeschnitten.
König:
“Nun mir, dem König, Pagen mein,
Thu’ kund mit freiem Muth:
Wer gab das Röslein dir, Gesell,
Das Röslein auf deinem Hute?"
Page:
“Das Röslein gab die Mutter mir,
Da sie mich ließ in Sorgen!
Ich stell’s in Wasser jede Nacht,
so blüht es jeden Morgen.”
Sie reiten entlang an der blauen Bucht,
Die Woge murrt eintönig,
Die Möwen fliegen kreischend auf,
Zum andern fragt der König.
König:
“Wes ist die Locke,die ich sah
An deine Brust geschlungen,
Da dir vorhin vom scharfen Ritt
Das Reitwamms aufgesprungen?”
Page:
“Das ist mein Schwester lichtbraun Haar,
So fein und weich wie Seiden,
Es duftet süß wie Rosenöl,
Sie weinte drauf beim Scheiden.”
Sie reiten hinauf den Felsensteig;
Am Pfad sind eingeschnitten
Blutrunnen aus uralter Zeit,
Der König fragt zum dritten:
König:
“Nun sag’ und red’ die Warheit mir,
Gesell, es gilt dein Leben!
Wer hat der Ring am Finger dir,
Der gold’nen Ring gegeben?”
Page:
“Die mir den Ring am Finger gab,
Gab mir ihr Herz desgleichen,
Das ist die allerschönste Maid
In allen deinen Reichen!”
Des Königs Stirn wird rot wie Blut,
Die Augen zornig brennen:
König:
“Der Ring ist meines Kindes Ring!
Sein Blinkeln muß ich kennen.”
Page:
“Weh! Deine Stirn’ furcht Zorn!
Blutrunnen seh’ ich brennen!”
König:
“Ha! Wagtest du in frechen Muth
Um ihren Leib’ zu werben,
Schon’ ich deinen jung, frisch Leben
Nicht, des Todes mußt du sterben!”
Page:
“Des Todes muß ich sterben!”
König:
“Der Todes! Wohl auf, mein Schwert,
Kühl ‘s Herzlein dem Gesellen!”
Page:
“Weh, weh!
Er zieht hervor sein schwarzes Schwert,
Es stößt es durchs Herz des Gesellen;
König:
Und deinen Leib verschling’ die Fluth,
Und steht Dein Sinnen so hoch,–
So magst um die Königin jetzt
Der Wassernixen du minnen!
Alt:
Den Strand entlang zum Königschloß
Heimreitet ein düst’rer Reiter;
Hinaus in’s Meer die Leiche schwimmt,
Die Wellen rauschen weiter.